Die Themse als Nebenfluss des Rheins? Das hört sich suspekt und zweifelhaft an. Und um
Missverständnisse gleich von Anfang an auszuräumen: Mit der Themse ist tatsächlich
der 346 km lange Hauptfluss Englands gemeint, der in London unter der berühmten Tower Bridge
hindurchfließt. Und auch der Rhein soll kein anderer als der bekannte 1320 km lange Fluss
sein, der die Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Deutschland, Frankreich und die Niederlande
durchfließt. Und wie können nun diese beiden Flüsse, deren Mündungen etwa 200
km voneinander entfernt liegen, plötzlich zu Nebenflüssen werden?
So schwer ist es eigentlich gar nicht. Man denke sich einfach den Ärmelkanal und die gesamte
südliche Nordsee weg und stelle sich vor, wie beide Ströme sich auf dem ehemaligen
Meeresgrund entgegenfließen.
Das hört sich natürlich auch nicht viel einleuchtender an, aber tatsächlich war das
geologisch gesehen noch vor kurzer Zeit der Fall. Genauer gesagt vor schlappen 18.000 Jahren, zum
Höhepunkt der Weichsel-Eiszeit. Diese jüngste Eiszeit dauerte bis vor etwa 11.000 Jahren
an und verursachte auf der Erde eine 4-5°C kältere Durchschnitttemperatur als heute. Was sich
wie ein kleiner Temperaturunterschied anhört, hatte dramatische Folgen:
So dehnten sich die Gletscher vom Nordpol über Skandinavien bis nach Mecklenburg-Vorpommern,
Brandenburg und Nord Niedersachsen aus. Zusammen mit der Gletscherausdehnung an der Antarktis und
den Hochgebirgen bedeckte das Eis weltweit mit 42 Millionen Quadratkilometern eine drei mal so
große Fläche wie heute.
Das blau schimmernde, kilometerdicke Gletschereis bestand aus nichts weiter als gepresstem Schnee
und damit aus Wasser. Diese enormen Wassermassen gelangten - einmal gefroren - natürlich nicht
wieder ins Meer zurück, so dass der weltweite Meeresspiegel während der Weichsel-Eiszeit
um bis zu 135 Meter gesunken ist. Da der Ärmelkanal nur durchschnittlich 50 Meter tief und
große Teile der südlichen Nordsee ebenfalls weniger als 100 m tief sind, wurden diese
gesamten Gebiete wegen Wassermangels "trockengelegt". Damit konnten sich die damalige
Themse und der Rhein tatsächlich so weit annähern, dass man sie leicht als Nebenflüsse
hätte bezeichnen können.
Aber die Weichsel-Eiszeit war nicht die einzige, die kälteste oder am längsten andauernde
Eiszeit der Vergangenheit. So bedeckten schon vor der Weichsel-Eiszeit die Gletscher der Elster-Eiszeit
vor 440.000-330.000 Jahren und der Saale-Eiszeit vor 200.000-125.000 Jahren Skandinavien, große
Teile Großbritanniens und Norddeutschlands.
Solche "Ereignisse" blieben für die Landschaft Deutschlands natürlich nicht ohne
Folgen. Bei ihrem Vormarsch nach Süden schoben die Gletscher beispielsweise große Mengen an
Sand-, Kies- und Steinen vor sich her. Dieser Gesteinsschutt blieb nach dem Abschmelzen des Eises gegen
Ende der Kälteperioden als sogenannte Endmoräne liegen. Endmoränen markieren, wie weit
das Eis maximal nach Süden vorgestoßen war und können je nach Größe und
zurückgelegtem Weg des Gletschers 50 bis sogar 300 Meter hohe Hügel bilden.
Gesteinsschutt, der unter dem Gletscher lag, wurde durch das extrem große Gewicht der mehrere
Kilometer dicken Eisschicht im Laufe von tausenden von Jahren zerdrückt und meist zu feinem Sand
oder Ton gemahlen. Zusammen mit dem Material, das auf dem Gletschereis lag, bildet er die sogenannten
Grundmoränen.
Aber nicht nur das vom Eis verfrachtete Material formte die Landschaft. Die als Eis gebundenen Wassermassen mussten natürlich mit zunehmender Erwärmung des Klimas auch wieder abfließen. Und das ohne ein Flussbett, dass solche Schmelzwasserfluten hätte aufnehmen und transportieren können. Gezwungenermaßen formte sich das Wasser selbst gigantische Flussbetten, die Urstromtäler, in denen es Jahrtausende lang stetig Richtung Meer floss. Die Abflussbahnen haben so große Ausmaße, dass sie heute eigentlich nicht mehr als ehemalige Flussbetten zu erkennen sind. Die heutige Aller-Niederung, rund 20 km breit, ist Teil des eiszeitlichen Urstromtals entlang der Linie Bremen-Magdeburg-Breslau. Auch die Linie Warschau-Berlin mit Verlängerung nach Hamburg mit den heutigen Flüssen Elbe, Oder und Warthe war eiszeitliches Abflussgebiet. Heute werden die Täler z.B. für den Bau von Kanälen (z.B. der Mittellandkanal nördlich Magdeburg) und wegen der reichen Grundwasservorräte für die Grundwasserförderung genutzt (Fuhrberger Feld).
Das Schmelzwasser spülte beim Abfließen in eben diesen Urstromtälern oft Sand und andere
feine Bestandteile der Grund- und Endmoränen weg und lagerte ihn an anderen Orten zu riesigen
Sandbänken wieder ab. Die heutige Lüneburger Heide besteht teilweise aus solchen Sandern, die
von einigen Endmoränen überragt werden. Der Brelinger Berg und die Mellendorfer Berge im Norden
Hannovers sind als Endmoränenrücken in der Saale-Eiszeit entstanden.
Darüber hinaus haben über Jahrhunderte beständig wehende Winde Material von den Moränen,
Sanderflächen und den ausgetrockneten Urstromtälern abgetragen und als Flugsand, Dünen oder
sehr fruchtbaren Löss abgelagert, der vielfach zwischen Hannover und Harz zu finden ist.
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