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10. Vom Wasser zum Land

- Die Auenzonierung am Mittel- und Unterlauf

Die Umgebung eines Flusses beherbergt viele verschiedene Pflanzenarten, von denen die meisten vom Wasser direkt abhängig sind oder zumindest beeinflusst werden. Die Beeinflussung der Pflanzen durch den Wasserstand eines Flusses nimmt überdies zu, je weiter man Richtung Mündung voranschreitet. Denn aufgrund der größeren Wassermassen im Mittel- und Unterlauf eines Flusses werden bei Hochwasser teilweise beachtliche Flächen und ganze Landstriche überschwemmt, so dass auch noch Pflanzen, die in einigem Abstand vom Fluss wachsen, betroffen sind. Dieses Überschwemmungsgebiet eines Flusses, die sogenannte Aue, wird zur Mündung hin immer breiter. Das führt aber auch dazu, dass der Einfluss des Flusses innerhalb der Aue selbst im Gegenzug geringer wird, da die Aue nicht mehr bei jedem Hochwasser vollständig überflutet wird.

Im Laufe der Zeit hat sich jedoch durch das regelmäßig wiederkehrende Hochwasser eine typische, an die Überschwemmungen angepasste Pflanzenwelt herausgebildet, die sich in verschiedenen, zum Fluss parallelen Streifen gliedert. In den jeweiligen Streifen sind Pflanzen beheimatet, die mit unterschiedlich häufigen und langen Überflutungszeiten sowie mit unterschiedlich hohen Wasserständen zurecht kommen können.

Die typische Abfolge der Vegetation an Flüssen ist folgende:
Den ersten Streifen bildet eine Zone der Schwimmblatt- und Unterwasserpflanzen. Darauf folgt eine Zone von Erstbesiedlern, den sogenannten Pionierpflanzen, die sich auf den jungen und noch lockeren Flussablagerungen ausbreiten. Als schmaler Streifen schließt sich dann ein Gürtel aus Röhrichten, Großseggen und Hochstauden an, auf den dann die Gehölze, der sogenannte Auwald folgt. Dieser Auwald wird in sich noch zusätzlich in die Weichholzaue und die Hartholzaue untergliedert, wobei die Weichholzaue auf den tiefer gelegenen, noch regelmäßig überschwemmten Flächen vorkommt und sich die Hartholzaue in den höher gelegenen, nur noch ab und zu überschwemmten Bereichen ansiedelt.

Hinweis: Die römischen Zahlen auf der Grafik kennzeichnen die Überschwemmungsphasen, nicht die Vegetationszonen.
Um mehr über die einzelnen Vegetationszonen zu erfahren, klicken Sie bitte auf den jeweiligen Abschnitt der Grafik.

Diese Vegetationsabfolge wird auch als Auenzonierung bezeichnet. Sie ist je nach den vorhandenen Gegebenheiten wie Boden, Klima oder Strömung nicht immer vollständig ausgebildet, so dass einzelne Zonen ganz fehlen oder an anderer Stelle der Abfolge auftreten können.
Die Zonen im Einzelnen:

Schwimmblatt- und Unterwasserpflanzen
Die erste Vegetationszone liegt noch vollständig im Wasser oder in ständig überschwemmten Gebieten. Im Mittel- und Unterlauf ist der Fluss so breit geworden, dass die Ufervegetation nicht mehr seine gesamte Oberfläche beschatten kann. Damit können die Pflanzen im Wasser mittels Fotosynthese vermehrt Stärke - die Grundlage jeden Pflanzenwachstums - produzieren, so dass nun Pflanzen in größerem Maße als im Oberlauf im Wasser Fuß fassen können.
Diese erste Zone kann damit von Schwimmblatt- und Unterwasserpflanzen besiedelt werden. Man unterscheidet beide anhand ihres Erscheinungsbildes: Unterwasserpflanzen wie das Tausendblatt und die Wasserpest leben ausschließlich unter Wasser. Die Schwimmblattpflanzen wie See- oder Teichrosen wachsen zwar auch unter Wasser, verfügen jedoch noch zusätzlich über Stengel, Blätter und Blüten an der Wasseroberfläche.
Im Gegensatz zu stehenden Gewässern wie Seen, in denen die Artenzusammensetzung stark von den zur Verfügung stehenden Nährstoffen abhängig ist, spielt die Versorgung mit Nährstoffen im Fließgewässer nur eine untergeordnete Rolle, da durch die herrschende Strömung ständig Nährstoffe und anderes Material von oberen Flussabschnitten herantransportiert werden. Vielmehr wird das Verhältnis von Schwimmblatt- zu Unterwasserpflanzen im Fluss überwiegend von der Stärke der Strömung bestimmt.
Entscheidend für das Vorkommen der einzelnen Arten ist außerdem die als Sichttiefe bezeichnete Lichtdurchlässigkeit des Wassers selbst. Bei hoher Sichttiefe durch sehr klares Wasser können Pflanzen bis in tieferen Schichten vorkommen, weil noch genügend Licht zur Fotosynthese zur Verfügung steht. Ist das Wasser jedoch durch aufgewühlten Schlamm oder andere im Wasser schwebende Partikel getrübt, wird das meiste Licht schon nah an der Oberfläche absorbiert. Zu wenig Licht erreicht den Grund, so dass dort kaum Pflanzenwachstum möglich ist.

Pioniergesellschaften
Die Flächen auf denen das Wasser die mittransportierten Stoffe ablagert, bilden die zweite Vegetationszone, sie liegt schon weitgehend außerhalb des Wassers. Diese Flächen im Aue- oder Überschwemmungsgebiet werden zuerst von einer Vielzahl an schnell wachsenden Gräsern und Kräutern besiedelt, den sogenannten Pioniergesellschaften. Wie der Name schon sagt, sind die Pflanzen, zu denen auch der Gemeine Pestwurz und das Rohrglanzgras zählen, die ersten Siedler und damit die Pioniere der neu geschaffenen Flächen. Die Pioniergesellschaften sind jedoch meist sehr kurzlebig, da sie in den flussnahen Bereichen oft schnell dem nächsten Hochwasser zum Opfer fallen. In länger beständigen Gebieten fassen Sträucher und Bäume Fuß und verdrängen die Pionierpflanzen. Die gehölzfreie Pioniervegetation bleibt damit auf die vom Wasser gerade neu geschaffenen Standorte, wie Sand- und Kiesbänke, beschränkt.

Typischer Standort für Pioniergesellschaften;
Quelle: ? Hrsg.: ?

Röhrichte, Großseggen und Hochstaudenfluren
Den Übergang vom Wasser zum Land und damit die dritte Zone nutzen die Röhrichte, Großseggen und Hochstaudenfluren. Diese drei Pflanzengesellschaften siedeln sich zwischen den Lebensräumen der reinen Wasserpflanzen und der reinen Landpflanzen an und bilden dabei meist nur schmal bewachsene Streifen entlang des Ufers aus. In dem eher vom Wasser geprägten Bereich spielen Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit für das Bestehen der Pflanzen eine wichtige Rolle; im eher landnahen Bereich sind dies der Nährstoffgehalt und der Aufbau des Bodens.
Röhrichte sind unter den drei genannten die häufigste Pflanzengesellschaft, die Großseggen dagegen benötigen für gutes Wachstum bereits eine größere Menge an halbzersetztem organischen Material und können sich daher nur an Standorten ansiedeln, an denen bereits eine Torfbildung stattgefunden hat. Zusammen mit den Röhrichten werden die Großseggen von unterschiedlichen feuchte- bzw. nässeliebenden Gräsern wie Schilf oder Graziler Segge dominiert.
Die Hochstaudenfluren sind unter den drei aufgeführten die seltenste Pflanzengesellschaft. Um sich gegenüber den beiden übrigen Vegetationstypen durchsetzen zu können, benötigen sie eine stärkere Nährstoffanreicherung im Boden. Dann können sich die mehrjährigen und hochwüchsigen Kräuter, die wie zum Beispiel die Brennnessel, die Feuchtigkeit und Nässe liebt, ausbreiten.

Hochstaudenflur;
Quelle: ? Hrsg.: ?

Der Auwald
Als vierte Vegetationszone schließt sich der Auwald an, unterteilt in Weichholz- und Hartholzaue.
Die Weichholzaue wird während der regelmäßig auftretenden Überflutungen noch immer stark vom Wasser des Flusses beeinflusst, so dass auch hier noch tiefgreifende Umlagerungs-, Ablagerungs- und Abtragungsvorgänge von Bodenmaterial während des Hochwassers stattfinden. Die Gehölze der Weichholzaue, die fast ausschließlich aus Pappeln oder Silberweiden und anderen Baum- bzw. Strauchweiden bestehen, wachsen auf jungen Flussablagerungen aus Geröll, Kies, Sand und feineren Substraten. Dabei werden Standorte mit geringer Bodenentwicklung, also erst vor kurzer Zeit durch das Flusswasser entstandene Rohböden, bevorzugt.

Weichholzaue;
Quelle: ? Hrsg.: ?
Die Hartholzaue befindet sich im Gegensatz zur Weichholzaue auf höher gelegenen Flächen. Daher wird die Hartholzaue von tiefgreifenden Umlagerungsprozessen im Boden, wie sie bei der Weichholzaue noch vorkommen, nur wenig berührt. Nur bei sehr starkem Hochwasser kann es passieren, dass das Wasser auch noch in diese Bereiche vordringt. Abhängig vom momentanen Wasserstand des Flusses treten aber trotzdem stärkere Grundwasserschwankungen innerhalb eines Jahres auf. Die Hartholzaue zeichnet sich durch anspruchsvolle Laubbäume wie Esche, Ulme, Ahorn, Eiche und Linde aus, die an Standorten mit nährstoffreichen Böden wachsen.


Die Hartholzaue;
Quelle: ? Hrsg.: ?
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