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9. Dem Hochwasser trotzend

- Pflanzen am Mittel- und Unterlauf

Pflanzen müssen sich für ihr Überleben in der Aue sehr gut an die Standortbedingungen anpassen. Insbesondere ufernahe Pflanzen zeigen dabei erstaunliche Strategien, durch die sie das größte Problem, nämlich die Wasserspiegelschwankungen, überstehen können.
So treten teilweise von ein und derselben Pflanzenart zwei unterschiedliche Erscheinungsformen auf, und zwar eine Land- und eine Wasserform. Je nach dem, an welchem Ort beispielsweise die Samen des Wasser-Knöterichs auskeimen, bildet er eine Landform mit häufig relativ kleinem, gedrungenem Wuchs oder eine Unterwasserform mit meist länger gestreckten und fein zerteilten, zarteren Blättern aus.
Außerdem gibt es einige weitere Anpassungen, um den Fortbestand einer Art zu sichern und zumindest zeitweilige Überschwemmungen ohne Dauerschaden zu überstehen. Dazu zählen eine hohe Vermehrungsrate, die schnelle Regeneration durch erneutes Wachstum nach dem Verlust eigener Körpermasse oder der Wurzelaustrieb aus abgetrennten Pflanzenteilen.

Bei einer hohen Vermehrungsrate zum Beispiel, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest einige der zahlreichen Samen oder Sprösslinge doch noch einen passenden Platz zum Besiedeln erreichen und dort überleben können. Diese Strategie wird zum Beispiel vom Kleinblütigen Weidenröschen angewandt. Es wächst auf feuchten, nährstoff- und kalkreichen Flächen, gern in Gewässernähe und auf zeitweise überschwemmten Bereichen.
Eine Regeneration durch schnelles Nachwachsen der verlorenen Körperteile wiederum sichert das Überleben einer Pflanze, auch wenn der Organismus, wie beispielsweise durch einen abgeknickten Stengel, schon massiv geschädigt ist. Die schnellwachsenden Weidenarten der Weichholzaue kombinieren diesen sogenannten Stockausschlag zudem mit ihrem weichen, verhältnismäßig leichten und biegsamen Holz. Treten also in der Weichholzaue Überflutungen auf, so führen sie bei diesen Gehölzen seltener zu Bruchschäden als bei anderen Gehölzen. Kommt es trotzdem einmal zum Bruch oder Verlust eines Astes, wachsen an der geschädigten Stelle sehr schnell neue Pflanzenteile nach. Zusätzlich besitzen die abgebrochenen Pflanzenteile selbst eine hohe Regenerationsfähigkeit, so dass sie schnell neue Wurzeln bilden und aus ihnen an anderer Stelle eine neue Pflanze heranwachsen kann.

Die Pflanzenarten, die sich im Überschwemmungsgebiet eines Flusses angesiedelt haben, besitzen also vielfältige Methoden, um auch unter ungünstig erscheinenden Bedingungen überleben zu können.

Die Lichtverhältnisse im Unterlauf
Die Auenzonierung bleibt größtenteils vom Mittellauf bis hin zur Mündung erhalten. Je näher man jedoch der Mündung kommt, desto mehr verändert sich die Artenzusammensetzung in der ersten Zone der Schwimmblatt- und Unterwasserpflanzen:
Neben den höheren Pflanzen kommen im Unterlauf wegen der niedrigen Fließgeschwindigkeit zunehmend auch mikroskopisch kleine, schwebende Pflanzen vor: das Plankton. Dieses pflanzliche Plankton dient wiederum dem insbesondere aus Rädertierchen und Wasserflöhen bestehenden tierischen Plankton als Nahrungsgrundlage. Beide Planktongruppen schränken die Menge des Lichts, das noch den Flussgrund erreicht, ein.

Außerdem ist der Unterlauf durch größtenteils aus den vorangegangenen Flussabschnitten stammenden organischen Materialien, aber vor allem durch dessen Zersetzungsprodukte sehr nährstoffreich. Durch den Nährstoffreichtum können im Wasser des Unterlaufs sehr große Mengen an freischwimmenden Algen wachsen, die dann ebenfalls Licht absorbieren. Zusammen mit Erde oder aufgewühltem Schlamm aus dem Umland, der z.B. bei Überschwemmungen in den Fluss hineingespült wird, verursachen die Algen einen Lichtmangel in tieferen Wasserschichten und verhindern somit ein weiteres Pflanzenwachstum. Unterwasserpflanzen, die im Boden wurzeln haben, haben in diesem Flussabschnitt ihre Bedeutung fast verloren.
Das Flusswasser im Unterlauf wirkt insgesamt trüb, der Sauerstoffsgehalt schwankt zwischen Tag und Nacht stark, da die große Menge an Pflanzen im Wasser eine Produktion von Sauerstoff durch Fotosynthese am Tag und einen starken Sauerstoffverbrauch bei Nacht hervorruft, in der Sauerstoff von den Pflanzen veratmet wird.
Da dem Flussunterlauf in der Regel "Stromschnellen" oder Wasserfälle fehlen, die für Turbulenzen und damit eine Lösung von Luftsauerstoff im Wasser sorgen könnten, werden diese Sauerstoffdefizite im Gegensatz zu den anderen Flussabschnitten nicht ausgeglichen.


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